Auch die Lokalpresse weiß, wann sich Empörung und Betroffenheit schicken, und titelte in den vergangenen Tagen groß von der schlimmen Zunahme rechtsextremer Gewalt. Erst am vergangenen Wochenende war der migrationspolitische Sprecher der Linksfraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Giyasettin Sayan, brutal überfallen worden. Wenn zwei Arbeitstage später Sevim Dagdelen, die migrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, sozusagen Sayans große Schwester, in Aachen ist, sollte man meinen, die Presse wäre daran interessiert, mit dieser über die Situation von MigrantInnen im Lande zu sprechen. Nicht so die Aachener Presse: »Wir konzentrieren uns ganz auf den Karlspreis«, winkt die Politikredaktion der Tageszeitungen ab.
Auch der WDR und dessen privatwirtschaftliche Konkurrenz verzichten ganz darauf, auf das Angebot eines Pressegesprächs auch nur zu reagieren. Gestern noch über Angriffe auf MigrantInnen empört, heute ist das Thema anscheinend schon wieder eins, das nur die AdressatInnen der Gewalt selbst interessiert: Einzig Hürriyet schickt einen Mitarbeiter zum Pressegespräch. Der hat wenig Fragen und mit dem Thema eigentlich schon abgeschlossen: »Ich ziehe wieder in die Türkei«, sagt er. Eine Stunde später schlurft dann – man ist schon dankbar, dass man sich nicht noch mehr für das offensichtliche Desinteresse der lokalen Medien schämen muss – grußlos ein freier Mitarbeiter der einen Zeitung herein – er soll einen kleinen Bericht für den Lokalteil schreiben –, bequatscht die Bundestagsabgeordnete lieber in ihrer Pause vor der bald darauf geplanten Rede. In seinem Bericht wird er später die Politikerin der Partei des Moderators der Veranstaltung zuordnen. Seine Redaktion wird anschließend schon daran scheitern, den Namen der Abgeordneten richtig aus dem Text in die Überschrift zu übernehmen.