„Hätte ich Gelegenheit, mit der Bundeskanzlerin zu sprechen, würde ich ihr sagen: ‚Frau Merkel, es stehen Menschen vor Ihrer Tür, keine Tiere‘.“
Als ich für das Linksletter-Editorial dieses Zitat raussuchte (bzw. zuvor schon einmal verwendete), hatte ich schon vermutet, dass manche die darin implizierte Aussage über Tiere nicht gut finden würden. Nun wollte Friedenspreisträger Dieudonné Nzapalainga mit Sicherheit nicht dafür plädieren, Tiere schlecht zu behandeln. Man kann das z.B. so lesen: „Tiere lassen sich durch einen Zaun aufhalten, Menschen nicht.“
Ich kenne Dieudonné Nzapalainga nicht persönlich, auch wenn ich am Montagabend in der Kneipe am Nebentisch zu ihm gesessen habe. Vielleicht ist es aber in der Situation der Menschen aus Zentralafrika wenig verständlich, Menschen und Tiere als gleich schützenswert anzusehen. Vielleicht setzt es ein gewisses Maß an gesellschaftlichem Wohlstand (oder eine lange vegetarische Tradition) voraus, bevor in einem Land eine solche Auffassung stärkere Zustimmung erfahren kann.
Ich bin seit fast 30 Jahren Vegetarier, darf also wohl für mich behaupten, mich mit Fragen des Verhältnisses von Mensch und Tier schon eine Weile intensiv auseinandergesetzt zu haben. Für äußerst lesenswert halte ich einen schon älteren Artikel von Oliver Tolmein, der sich sehr für besseren Tierschutz ausspricht, aber vor der Idee warnt, Rechte für Tiere damit zu begründen oder abzulehnen, dass es bestimmte intellektuelle Fähigkeiten gebe, die Menschen und Tieren gemeinsam sind oder sie unterscheiden. Wenn nämlich Menschenrechte von Qualifikationen abhängig gemacht werden (die manche Tiere auch erbringen können), öffnet das dem die Tür, diese Rechte jenen Menschen abzuerkennen, die diese Fähigkeiten aufgrund einer Behinderung nicht haben, siehe Peter Singers Bezeichnung von bestimmten Behinderten als "menschliches Gemüse".
Nicht zuletzt haben wir eine Reihe von Redensarten, die die Behandlung von Menschen wie Tiere kritisieren, aber in den seltensten Fällen dürfte derjenige, der sie verwendet, damit eine schlechte Behandlung der Tiere befürworten wollen.