Heute vor 15 Jahren haben wir unseren Kreisverband gegründet. Etwa 150 Mitglieder der Wahlalternative Arbeit und Soziale Gerechtigkeit (WASG) schlossen sich mit zirka 50 Mitgliedern der Partei des Demokratischen Sozialismus (die sich zuvor bereits in "Linkspartei.PDS" umbenannt hatte) und rund 50 weiteren Personen aus Stadt und Kreis Aachen zusammen und bildeten den Kreisverband DIE LINKE Städteregion Aachen (zwei Jahre bevor es die Städteregion offiziell gab) – bis heute einer der mitgliederstärksten Kreisverbände unserer Partei in NRW.

Auf der Gründungsversammlung in den Kurparkterrassen sprach als Erster der inzwischen verstorbene damalige DGB-Regionsvorsitzende Heinz Kaulen: »Viele Menschen empfinden die heutige Welt als ungerecht. Ich meine aus gutem Grund. Die Politik findet nicht die richtigen Lösungen angesichts der Herausforderungen unserer Zeit. Vieles von dem, was in Berlin und Düsseldorf und anderen Landeshauptstädten als politische Zielsetzung formuliert wird, ist oft purer Populismus oder parteistrategische Scheinwelt. Die Bürgerinnen und Bürger sind auf der Suche nach sozial gerechter Orientierung in einer komplexer und unübersichtlicher gewordenen Welt. Oft reichen auf ihre Fragen nicht mehr die herkömmlichen Antworten. Und schon gar nicht die Fragen, die nachträglich für längst formulierte Antworten oder Entscheidungen gesucht werden.«

Yolanda Claessens von der SP Heerlen berichtete von der erfolgreichen Entwicklung ihrer Partei in den Niederlanden. »Treue zu den Grundsätzen der Partei: Menschenwürde, Gleichwertigkeit und Solidarität sind dabei immer maßgebend gewesen neben dem Kontakt mit den Menschen. Wir wollen zusammen mit den Menschen, sei es auf lokalem, sei es auf landesweitem Niveau, Dinge ändern. Hoffentlich können wir bei grenzüberschreitenden Problemen mit euch zusammenarbeiten.«

Auch die DKP Aachen wünschte der Linken viel Erfolg: »Die Deutsche Kommunistische Partei Aachen wünscht der Linkspartei zu ihrer heutigen Grün­dungsversammlung einen erfolgreichen Start. Eine Bündelung eines Teils der linken Kräfte erscheint absolut notwendig. […] Vor uns allen liegt die Aufgabe, gesellschaftliche Kräfte weit über die Linke hinaus im Wider­stand gegen die neoliberale Politik zu bündeln. Teile dieser Widerstandsbewegung finden sich in der heutigen Gründungsver­sammlung der Linkspartei zusammen.«

Ich erfuhr als ehemaliger Sprecher der WASG Aachen-Stadt und bekannter Sprecher einer damaligen Bürgerinitiative die Ehre, zum ersten Kreissprecher der neuen Parteiformation in Aachen gewählt zu werden, und war dann für viele Jahre an der Spitze des Kreisverbands bemüht, den Aufbau dieser Partei mit vielen engagierten Genossinnen und Genossen zu koordinieren. Mir war es wichtig, auch als Lehre aus dem Scheitern sich sozialistisch nennender Staaten, das erst wenige Jahre zurück lag, dass wir nicht einfach so tun, als wäre allen klar, was wir mit Sozialismus meinen, sondern dass wir unsere Vorstellungen eines pluralistischen und demokratischen Sozialismus aufzeigen und mit den Irrwegen, die es im Namen des Sozialismus gab, tatsächlich brechen.

Der Name der neuen Partei, "DIE LINKE", war nicht unumstritten. Er ist eine Anmaßung und bis heute eine Zumutung für diejenigen, die sich als Teil der linken Szene verstehen, ohne dieser Partei angehören zu wollen. Er ist aber vor allem ein Versprechen: dass die neue Partei ein Sammlungsangebot sein wolle für Menschen unterschiedlicher politischer Gruppen und Erfahrungen, die sich als links verstehen.

Mit dem Angebot, die Zerstrittenheit und Fragmentierung der linken Bewegung zu überwinden, und zugleich verlässlich für Grundsätze des Friedens und der sozialen Gerechtigkeit einzutreten, gewann die neue Partei die Herzen vieler tausend Menschen im Land. In unseren Kreisverband trat ein ehemaliger Sozialdemokrat ein, der davon ausging, dass die SPD ohnehin bald durch uns abgelöst würde. Es trat ein vormaliges Mitglied der CDU ein, weil das linke Engagement für soziale Gerechtigkeit doch viel eher seinen Vorstellungen von Nächstenliebe entspreche, die ihn zur Politik gebracht hatten. Es traten ehemalige Mitglieder der Grünen ein, weil man sich für wirklichen Umweltschutz viel mehr mit Konzerninteressen anlegen müsse, und weil sie den Bruch der Grünen mit der Friedensbewegung nicht mitmachen wollten. Vor allem aber: Es traten viele viele Menschen ein, denen die neue Partei endlich Hoffnung machte, dass sich etwas ändern kann in diesem Land.

Viele Hoffnungen konnten in den letzten fünfzehn Jahren nicht erfüllt werden: Die Vereinigung der linken Szene ist nicht weiter fortgeschritten, Hartz IV ist nicht abgeschafft, deutsche Kriegsbeteiligungen sind nicht verhindert worden, die Umverteilung von unten nach oben konnte nicht gestoppt werden, und wir haben auch noch nicht der SPD den Rang abgelaufen (auch wenn es zeitweise so aussah, als bemühte sich die SPD darum). Aber viele dieser Hoffnungen waren auch unrealistisch und überzogen angesichts der Machtverhältnisse im Land. Und Vieles hat DIE LINKE in den vergangenen 15 Jahren eben doch erreicht. Oft war das kein alleiniger Erfolg der Linken, aber viele Erfolge hätte es ohne DIE LINKE vielleicht nicht gegeben.

Die weitere Vereinigung der ganzen linken Szene hat es nicht gegeben. Aber DIE LINKE hat in zahlreichen Bündnissen mit Initiativen und Projekten der linken Szene bewiesen, dass sie ihnen ein verlässlicher und fairer Partner ist. Die Zusammenarbeit mit der Klimaliste bei der letzten Landtagswahl in NRW ist nur ein Beispiel von vielen. Und wenn wir einen pluralistischen, demokratischen und lebendigen Sozialismus wollen, brauchen wir die Vielfalt der Initiativen und Organisationen und brauchen wir ihre Auseinandersetzung um die besten Ideen und Konzepte. Hartz IV ist nicht abgeschafft, aber immerhin hat der jahrelange Druck und Protest dazu geführt, dass das Hartz-System nicht nur einen anderen Namen erhalten wird, sondern hoffentlich auch etwas weniger repressiv gestaltet wird. DIE LINKE war eine der engagiertesten Kämpferinnen für den Mindestlohn und lag mit der Forderung nach "8+" über dem, was andere für durchsetzbar hielten. Ob wir ohne DIE LINKE heute so weit wären, dass der Mindestlohn auf 12 Euro angehoben wird, darf bezweifelt werden.

Einer der konkretesten Erfolge der Linken in NRW war die Abschaffung der Studiengebühren im Jahr 2011, die ohne DIE LINKE wahrscheinlich nicht so eine zentrale Rolle im vorausgegangenen Wahlkampf gespielt hätten. Schließlich waren es SPD und Grüne, die einst mit der Einführung von Langzeitstudiengebühren den Grundstein für die allgemeine Einführung von Studiengebühren gelegt hatten (die dann 2006 von CDU und FDP vollzogen wurde). Ich behaupte: Nur durch den Druck der Linken konnten SPD und Grüne dazu gebracht werden, die Studiengebühren wieder abzuschaffen.

Links wirkt – in der Opposition und auch dort, wo DIE LINKE an Regierungen beteiligt ist, und sie wird weiter gebraucht. DIE LINKE ist zum Beispiel auch seit vielen Jahren eine der aktivsten Streiterinnen für die Rechte von Kindern und Jugendlichen. Linke Minister und Ministerpräsidenten machen im Bundesrat Druck für die Verankerung der Kinderrechte im Grundgesetz, und die Linke Bundestagsfraktion hat als Opposition dazu Vorschläge vorgelegt. Auch mit der Erhebung des Weltkindertags zum Feiertag in Thüringen wurde dem Nachdruck verliehen. Dabei betont keine Partei so sehr wie DIE LINKE, dass die Überwindung der Kinderarmut der dringendste Aspekt daran ist. In Nordrhein-Westfalen hatte sie eine Expertin für dieses Thema zur Spitzenkandidatin gemacht. Keine andere Partei hat der Beseitigung der Kinderarmut auch nur annähernd ähnliche Bedeutung beigemessen. So überrascht es auch nicht, dass die versprochene Kindergrundsicherung der Ampel-Koalition noch immer auf sich warten lässt und Druck von links notwendig bleibt.