Was sind das für Zeiten! Täglich verkündet der amerikanische Präsident andere Regeln für den Welthandel, schickt die Börsen mal auf Talfahrt oder beschwichtigt sie wieder. Der offenbar immer noch mächtigste Staat der Welt wird gelenkt von einem fragwürdigen Immobilienspekulanten, dessen Handeln an die Fahrweise eines autonomen Fahrzeugs ohne funktionierenden Autopilot erinnert. Was in diesem Chaos berechenbar bleibt, ist dass seine Politik geleitet ist von unfassbarer Egozentrik und entfesseltem Chauvinismus.
Mit dem Abbau internationaler Hilfen, wie der Unterstützung der WHO, und Streichung der Entwicklungshilfe US-AID wird zugleich der Kampf gegen globale Ungerechtigkeit und für die Abschaffung von Flucht- und Migrationsursachen aufgegeben. Auch bei uns in Deutschland wird von Ressentiments geleitete Politik immer mächtiger. Fast ein Viertel der Bevölkerung befürwortet eine im Kern fremdenfeindliche Partei. Auch die künftige Bundesregierung will, wie gestern verkündet wurde, viele Rückschritte einleiten bei dem, was wir einmal positiv Willkommenskultur nannten.
Unsere Partei Die Linke gibt es jetzt seit fast 18 Jahren. Nie zuvor gab es einen Landesparteitag wie im vergangenen Jahr, auf dem Menschen berichteten, dass sie sich als queere Personen in Deutschland nicht mehr sicher fühlen und Viele in ihrem Bekanntenkreis real über Flucht in ein anderes Land nachdenken. Im Bundestagswahlkampf war unser Parteivorsitzender Jan van Aken zu Gast auf unserem Fest auf dem Aachener Elsassplatz, um den Menschen aus diesem Viertel für Gespräche zur Verfügung zu stehen. Es hat ihn erschüttert, wie viele Menschen im sagten, dass sie als Personen mit Migrationshintergrund Angst haben und sich weder willkommen noch sicher bei uns fühlen.
Ja, es gibt neben vielen anderen gesellschaftlichen Problemen auch solche mit der Integration von Menschen, die neu in dieses Land gekommen sind. Um diese Probleme abzubauen, brauchen wir mehr, nicht weniger Investitionen in Integration. Brauchen wir mehr und nicht weniger Perspektiven, dass sie sich hier eine gesicherte Existenz aufbauen können, und zwar möglichst schnell. Wenn wir wollen, dass es weniger Probleme gibt, ist es wichtig, dass wir den sozialen und familiären Zusammenhalt wahrnehmen als entscheidenden Faktor, der Menschen Stabilität gibt und sie resilient macht gegen Menschenfeindlichkeit. Die Politik der künftigen Bundesregierung geht leider auch hier den falschen Weg, aber lassen Sie uns in der Städteregion daran festhalten, dass gute, sichere und gerechte Lebensperspektiven der beste Schutz für unsere Gesellschaft sind.
Es ist uns deshalb ein zentrales Anliegen, dass Menschen mit Fluchterfahrung bestmöglich beraten und unterstützt werden. Nicht, weil sie bessere Menschen wären, sondern weil es für uns alle besser ist, wenn alle Menschen nach ihren realen Bedürfnissen unterstützt werden. Wir hatten deshalb für die Unterstützung von Refugio e.V. geworben. Hier ist vielleicht inzwischen die größte Not durch ausstehende Zahlungen des Landes abgewendet.
Ebenso müssen wir – auch im eigenen Interesse – sicherstellen, dass Menschen mit psychisch-sozialem Unterstützungsbedarf die Hilfe bekommen, die sie benötigen. Wir als Linke hatten das besonders im Zusammenhang mit den Belastungen aus der Corona-Zeit immer wieder angesprochen, es gilt natürlich auch, wenn Institutionen wie das Psychosoziale Zentrum in Not geraten.
Es ist das bekannte Dilemma, dass die Effekte von vorbeugenden Maßnahmen nicht gut sichtbar sind, denn nicht eingetretene Probleme nehmen wir viel weniger wahr als eingetretene. Stattdessen mit verstärkter Repression und beispielsweise schlechteren Zukunftsperspektiven für Migrant*innen zu reagieren, wenn etwas schiefgeht, ist hilfloser Populismus und verschärft nur die Wahrscheinlichkeit, dass es zu weiteren Problemen kommt.
FDP und SPD haben zum Haushalt vorgeschlagen, für verschiedene Zwecke weitere Gutachten in Auftrag zu geben. [Dazu haben sie selbst geredet.] Natürlich kann man in manchen Fällen diskutieren, ob externe Gutachten benötigt werden, oder ob die Verwaltung der Städteregion nicht selbst über genug Möglichkeiten und Expertise verfügt, Vorschläge und Bewertungen zu erarbeiten.
Wenn wir aber tatsächlich Gutachten in Auftrag gegeben haben, sollten wir sie auch beachten, gerade bei so schwierigen Themen wie Gewalt und ihrer Prävention. Die Städteregion hatte von der Kölner Professorin Karla Verlinden ein Gutachten zur „Analyse von Versorgungsstrukturen für von sexualisierter Gewalt betroffene Frauen und Mädchen in der Städteregion Aachen“ fertigen lassen. Die Gutachterin schreibt:
„Der Wunsch nach ‚sinnvoller‘ Primärprävention ist groß, der Bedarf ist ebenso eindeutig. Hier lautet die Empfehlung an die StädteRegion Aachen, bestehende Möglichkeiten auszuschöpfen und neue Möglichkeiten zu ermitteln, um der gemäß Istanbul-Konvention geforderten Prävention gerecht zu werden. Was die inhaltliche Ausrichtung von Täter- und Bystanderprävention betrifft, so sollte sie in der Überzeugung der Gutachterin dort ansetzen, wo Annahmen und Einstellungen, die sexualisierte Übergriffe beeinflussen, erstmalig auftauchen und sich etablieren: im Kindes- und Jugendalter [… ]. Zu empfehlen ist jedoch auch die Täter*innen- und Bystanderprävention für alle Alters- und Lebenslagen, angeboten in sowohl informellen als auch formellen Settings der sexuellen Bildung.“ [S. 60]
In ihrem Fazit schreibt sie:
„Anhand der Aussagen der befragten Fachkräfte kann das Gutachten den Fachberatungsstellen und Frauenhäusern der StädteRegion Aachen gute Voraussetzungen attestieren: […]. Jedoch legt das Gutachten auch vier größere Problemfelder frei, derer sich in (naher) Zukunft angenommen werden sollte: die Unterversorgung von besonders vulnerablen (und marginalisierten) Personengruppen, die noch nicht ausreichend diversitätsgerechte Gestaltung der Webseiten, die marginale Täter*innen- und Bystanderprävention sowie das fehlende ASS-Angebot.“
Wir haben deshalb vorgeschlagen, die Beträge für Präventionsarbeit und den Personalansatz zu erhöhen. Daran bestand seitens CDU und Grünen bei unseren Gesprächen jedoch kein Interesse, vielmehr wurde auf ein geplantes Theaterprojekt für die Schulen verwiesen. Ich bin als Linker, der Deutsch-Lehramt studiert hat, sicherlich der letzte, der etwas gegen gute Theaterprojekte mit gesellschaftlicher Relevanz an Schulen hat, aber das genügt uns nicht als Programm zur Täter*innenprävention, zumal die Gutachterin, wie eben zitiert, ausdrücklich Konzepte für alle Alterslagen empfiehlt.
Die Zunahme von psychischen Problemen in der Gesellschaft hängt ohne Zweifel auch damit zusammen, dass die Menschen große Zukunftsängste haben. In einer Umfrage der Forschungsgruppe Wahlen für das ZDF-Politbarometer gaben im März 23 % der Befragten an, dass sie „die weltweiten Probleme Kriege und Krisen“ persönlich „sehr stark belasten“. Weitere 48 % gaben an, dass sie „stark belastet“ seien. Lediglich ein Viertel sah die Belastung als „nicht so stark“ an, gerade einmal 3 % der Befragten sieht sich unbelastet davon. [Politbarometer v. 21.3.2025]
Zu den großen globalen Krisen gehört außer Krieg – ich erspare Ihnen an dieser Stelle Ausführungen, warum wir mit gigantischer Aufrüstung unsere Probleme und Sorgen nicht lösen, sondern verschärfen – zweifellos auch weiterhin die Klima- und Umweltkrise. An dieser Stelle kommt jetzt wie üblich in meinen Haushaltsreden ein Kronzeuge, der gerade nicht aus dem linken Spektrum stammt: Günther Thallinger, Vorstandsmitglied des Allianz-Konzerns, warnte vor zwei Wochen in einem längeren Beitrag davor, dass die Klimakrise das kapitalistische Wirtschaftssystem gefährde:
Die „extremen Wetterphänomene führen zu direkten physischen Risiken für alle Kategorien von Vermögenswerten, die dem Menschen gehören - Land, Häuser, Straßen, Stromleitungen, Eisenbahnen, Häfen und Fabriken. Hitze und Wasser zerstören Kapital. Überflutete Häuser verlieren an Wert. Überhitzte Städte werden unbewohnbar. Ganze Anlageklassen verlieren in Echtzeit an Wert, was zu Wertverlusten, Betriebsunterbrechungen und Marktabwertungen auf systemischer Ebene führt.
Die Versicherungsbranche hat diese Risiken in der Vergangenheit gemanagt. Aber wir nähern uns schnell Temperaturniveaus – 1,5°C, 2°C, 3°C –, bei denen die Versicherer nicht mehr in der Lage sein werden, eine Deckung für viele dieser Risiken anzubieten. Die Rechnung geht nicht auf: Die geforderten Prämien übersteigen das, was Menschen oder Unternehmen zahlen können. Dies ist bereits der Fall. Ganze Regionen werden nicht mehr versicherbar sein.“
Herr Thalinger warnt vor einem „klimabedingten Marktversagen“. Ich muss Sie nicht daran erinnern, was wir 2021 von Mulartshütte bis Eschweiler erlebt haben, und wir sind uns einig, dass wir die Vorsorgemaßnahmen für Wetterextreme weiter ausbauen und unseren Beitrag gegen die Verschärfung der Klimakrise leisten müssen. Gerade bei der Bewältigung von Starkregenereignissen können wir sicherlich auch viel von unseren Freundinnen und Freunden in Südkorea lernen.
Wir haben letztes Jahr vorgeschlagen, auch die Wiedervernässung von Mooren zu bedenken. Dankenswerter Weise steht der von uns angeregte Haushaltsposten auch im Haushaltsentwurf. Ich möchte dringend empfehlen, diesen Posten mit konkreten Maßnahmen zu füllen. Ich halte es nicht für zielführend, dass wir als bislang kleinste Oppositionsfraktion ihnen die Projekte und Beträge in den Haushalt schreiben, aber dass Sie, lieber Herr Grüttemeier, liebe Frau Lo-Cicero-Marenberg, lieber Herr Griese, diesen Weg ernsthaft prüfen lassen. Der schädliche Effekt trockengelegter Moore für den CO₂-Haushalt ist weitaus größer als beispielsweise der durch Verlust von Wäldern. Umgekehrt gilt dann aber auch: Mit Maßnahmen zur Wiedervernässung der Moore in der Eifel können wir als Städteregion womöglich am effektivsten Einfluss auf unsere städteregionale Klimabilanz nehmen.
Die FDP hatte vorgeschlagen, den Haushaltsposten für energetische Maßnahmen an Gebäuden zu streichen. Den Weg würden wir als Linke nicht mitgehen. Es ist aber eine auch im Fachausschuss unumstrittene Tatsache, dass unsere Programme, so wie wir sie bislang gestrickt haben, vor allem im Nachhinein Hausbesitzer*innen belohnen, die bereits das Geld für Maßnahmen aufgebracht haben. Wie groß der Effekt dieser nachgereichten Belohnungen ist, lässt sich nicht messen, haben wir im Ausschuss immer wieder festgestellt. Lassen Sie uns die Renaturierung von Mooren und anderen Flächen voranbringen, mit unmittelbaren Auswirkungen nicht nur für die CO₂-Bilanz, sondern auch auf den Hochwasserschutz, den Artenschutz und nicht zuletzt auf den Erholungswert der Natur!
Erholsame und vielseitige Natur ist auch ein Beitrag zum Wohlbefinden unserer Bevölkerung. Damit sie diese auch erreichen kann, brauchen wir weitere Verbesserungen beim ÖPNV statt regelmäßiger Preiserhöhungen. Im Hinblick auf die gerade erwähnte Eifel wäre das endlich ein verbesserter Qualitätsstandard bei der SB63, dem wichtigsten Bus in unseren Nationalpark, und dringend mehr Fahrten am Wochenende mit der SB66, unserem Bus zum Eifelsteig und für den Monschau-Tourismus.