Beim Thema Bahn dominiert seit Monaten in der öffentlichen Debatte der Konflikt der Gewerkschaften GdL und EVG mit der Bahn und mit einander. Der bisher bloß angedrohte Steik der GdL wird schon jetzt medial heftig angegriffen, teils mit so tiefgreifenden Argumenten wie, dass er „nervt“ (Spiegel) oder der Konflikt so „kompliziert“ (SZ) sei.

Der Konflikt mit viel öffentlichem Erregungspotenzial wird manchen in der Politik gar nicht so ungelegen kommen, lenkt er doch hervorragend von anderen Themen ab, insbesondere natürlich von anderen Problemen, die die Bahn betreffen. So blieb dieser Tage die Meldung, dass sich das private britische Verkehrsunternehmen National Express für den Betrieb des künftigen Rhein-Ruhr-Express (RRX) interessiert, weitgehend unkommentiert.

National Express (NX) ist selbst ein ehemals öffentliches Verkehrsunternehmen, entstanden aus dem Zusammenschluss der britischen Überlandbusse, bewirbt sich aber nun, nachdem die wichtigsten Verkehrslinien europaweit ausgeschrieben werden müssen, für das zentrale Bahnprojekt in Nordrhein-Westfalen.

Während seit vielen Jahren fast alle Umfragen zu dem Ergebnis kommen, dass die Mehrheit der Menschen hierzulande die Privatisierung der ehemaligen Bundesbahn ablehnt, werden immer mehr Strecken an andere Bahnunternehmen vergeben. Es ist anzunehmen, dass die Leute, die in den Umfragen die Bahnprivatisierung ablehnen, aber genau das nicht möchten: ein Durcheinander unterschiedlichster Betreiber, mit deren diversen Konzepten man sich dann auseinandersetzen muss, selbst wenn sie im Nahverkehr innerhalb eines gemeinsamen Ticketsystems nutzbar sind.

Doch genau das passiert jetzt in großem Ausmaß durch die europaweiten Ausschreibungen. Bis Ende den Jahres wird ein Drittel der Nahverkehrsstrecken in Deutschland neu verteilt.
National Express hat bereits den Zuschlag erhalten, ab Ende diesen Jahres den RE 7 (von Rheine über Münster und das Bergische Land nach Köln und Krefeld) und die RB 48 (Wuppertal – Bonn) zu betreiben, ebenso das gesamte S-Bahn-Angebot in Nürnberg. Mit dem Rhein-Ruhr-Express würde der britische Konzern auch in den wesentlichen Teilen jene Verbindungen fahren, die bisher als RE 1, 3, 4, 5, 6 und 8 betrieben werden.

Angeblich geht es bei den Ausschreibungen nicht nur um die billigsten Angebote. National Express weist darauf hin, dass ihre Züge z.B. auch eine bessere Ausstattung hätten. Allerdings machte genau dieses Unternehmen 2009 negative Schlagzeilen in seinem Heimatland, als sich Mitarbeiter an die Politik wandten und vor Gefahren durch den unverantwortbaren Wartungszustand der Züge auf der East Coast Line hinwiesen, der durch den permanenten Druck zur Kostenreduzierung entstanden sei.

Mit der Nordwestbahn, die 21 Linien befährt, ist ein weiterer global Player der privaten Personenbeförderung in unserem Land aktiv. Die Nordwestbahn gehört mehrheitlich Veolia Verkehr (ehemals Connex), die wiederum zum privaten französischen Transdev-Konzern gehört, der in Händen einer staatlichen Bank und des Entsorgungsgiganten Veolia ist.

Außerdem sind auch die Staatsbahnen anderer europäischer Länder hierzulande aktiv, etwa taucht die französische Staatsbahn SNCF über ihr Tochterunternehme Keolis als Eurobahn auf und fährt unter anderem die RE-Linien 3, 13 und 82 und zahlreiche RB-Linien, künftig auch den RE 78. Unter dem Namen Abellio verkehren hingegen Züge der Niederländischen Staatsbahn auf den Linien RE16, mehreren RB-Linien und einer S-Bahn.

Die Deutsche Bahn AG ihrerseits taucht im Ausland über ihr in Großbritannien ansässiges privates Tochterunternehmen Arriva auf und erbringt Bus- und Bahndienstleistungen in 14 Ländern. So ist die DB beispielsweise größter privater Busunternehmer in Italien, Betreiber des Bus- und Bahnverkehrs in Stockholm, und von der privaten Veolia bzw. Transdev hat die DB-Tochter zahlreiche Verkehrsunternehmen in Osteuropa übernommen.

Längst also sind die Staatsbahnen in einem kaum durchschaubaren Geflecht aus privaten Unternehmen zugange und treten selbst als solche auf. Zugleich ist es noch immer der Staat, der umfangreich den Öffentlichen Nahverkehr bezuschusst, den dann oftmals Private oder Fastprivate betreiben. Und obwohl die DB noch staatlich ist, blockiert die Bundesregierung beispielsweise Versuche der Linksfraktion, Praktiken der DB zu thematisieren, mit dem Verweis darauf, das seien unternehmerische Entscheidungen der Bahn AG.

Veröffentlicht in Linksletter, Februar 2015