Aachener Initiative protestiert gegen Karlspreisverleihung an Kriegstreiber. Ein Gespräch mit Darius Dunker

Mitte Mai soll der diesjährige Karlspreis der Stadt Aachen an den ehemaligen NATO-Generalsekretär Javier Solana verliehen werden. Warum sind Sie gegen diese Preisverleihung?

Früher einmal Kritiker des spanischen NATO-Beitritts, hat Solana sich längst zu einem Verfechter militaristischer Strategien entwickelt und bei der NATO in erster Reihe gekämpft. Seine Ideen zur Militarisierung der EU, das „Solana-Papier“, fanden Eingang in die Europäische Sicherheitsstrategie und den von so vielen EuropäerInnen vehement abgelehnten militärischen Teil des EU-Verfassungsentwurfs. Und dafür soll er ausgezeichnet werden.

Auch der britische Premierminister Anthony Blair gehörte bereits zu den Empfängern des Karlspreises. Ist es da nicht nur folgerichtig, mit Javier Solana einen weiteren Angriffskrieger zu ehren?

Es ist konsequent, aber eben konsequent falsch, solche Politiker zu ehren. Eine zynische Haltung dazu liegt nahe, aber wir sollten nicht aufhören zu widersprechen, wenn behauptet wird, der Karlspreis wäre für „Freiheit, Menschlichkeit und Frieden“ geschaffen und hier würden Verdienste um die „Völkerverständigung“ geehrt. Auch von deutschen Geheimdiensten wurden völkische Ressentiments im blockfreien Jugoslawien aktiv gefördert. Nachdem diese nach dem Tode Titos zu den bekannten kriegerischen Auseinandersetzungen geführt hatten, gab Solana 1999 völkerrechtswidrig den Angriffsbefehl auf Restjugoslawien. In der Karlspreisbegründung wird das einfach unterschlagen.

Teile der bundesdeutschen Bevölkerung haben den Angriffskrieg gegen Jugoslawien im Jahr 1999 verteidigt und sind auf die Propaganda der Bundesregierung und der NATO hereingefallen. Wie reagiert die Aachener Bevölkerung jetzt auf die Nominierung Solanas?

Die Propaganda hat auch jetzt in Aachen zunächst funktioniert. Das Karlspreisdirektorium und Vertreter der rot-grünen Ratsmehrheit konnten Javier Solana unisono als großen Friedenspolitiker verkaufen: Er hätte für den Anspruch der EU gekämpft, „einen maßgeblichen Beitrag zum Frieden in der Welt zu leisten“. Es gab aber auch vereinzelt Gegenstimmen, etwa aus Kreisen des Aachener Friedenspreises, der einst in Reaktion auf die Karlspreisverleihung an einen weiteren Militaristen, Henry Kissinger, durch die Friedensbewegung gegründet wurde. Inzwischen haben über 350 Menschen ihren Namen unter die öffentliche Protesterklärung "kein Karlspreis an Solana" gesetzt und ein Bündnis ruft zum Protest gegen die Preisverleihung am Himmelfahrtstag.

Wäre es fernab der aktuell anstehenden Preisverleihung an Solana nicht notwendig, auch ganz allgemein gegen den Karlspreis mobil zu machen?

Ja. Es gibt mit dem Friedenspreis den besseren Gegenentwurf, mit dem Menschen Mut gemacht werden soll, die sich in Basisinitiativen oder als Einzelne von unten tatsächlich für Frieden eingesetzt haben. Aber deshalb kann man meiner Meinung nach die Kritik am Karlspreis nicht unterlassen, mit dem sich im Namen Aachens und seiner BürgerInnen die Herrschenden selbst feiern. 2002 waren sie sich nicht mal zu schade, mit dem Euro direkt den schnöden Mammon auszuzeichnen. Uns erscheint aber die EU-Militarisierung das wichtigere Thema als eine im Grunde lächerliche Preisverleihung, deshalb haben wir die Kritik an der Auszeichnung Solanas in den Mittelpunkt gestellt.

Das Aachener Antikriegsbündnis hat die Karlspreisverleihung als »festlichen Auftakt« des zwei Wochen später in Heiligendamm stattfindenden G8-Gipfels bezeichnet. Inwiefern besteht da ein Zusammenhang?

Aachen bemüht sich, zum Karlspreis möglichst viel internationale Politprominenz zu versammeln. Juan Carlos, Spaniens König von Francos Gnaden und selbst Karlspreisträger, ist immer wieder gerne dabei, aber auch einige andere, die sich dann womöglich beim G8-Gipfel wiedersehen werden. In Aachen feiern sie einen führenden Vertreter ihrer Ideologie, in Heiligendamm folgt dann die inhaltliche Arbeit an ihr. Wir hoffen aber, ihnen auch am Westende der Republik die Partylaune zu verderben, wenn am 17. Mai im „Hof“ links vom Aachener Rathaus, also ganz in der Nähe der wahrscheinlich stark abgeriegelten Preisverleihung, ab 11 Uhr eine Gegenkundgebung stattfindet, zu der hoffentlich auch viele aus anderen Städten nach Aachen kommen.